Montag, 26. Mai 2008, vom Toktokul Stausee bis in die Berge bei Chichkan, Hotel „Ozon“, 68 Kilometer, 1106 Höhenmeter
Am Morgen haben versammelt sich die Yoga-Gruppe auf der Sandbank und es ist fast wie auf einem spirituellen Trip in Thailand oder Indien, bei den „Sonnengrüßen“ rieselt der Sand auf den Kopf. Leider zieht sich der Himmel zu und wir schaffen unser Frühstück und das Zusammenpacken gerade noch im Trocknen. Kurz nach dem Start fängt es an zu regnen. Doch ich bleibe schön warm, denn es geht mehrfach richtig stark bergan, mittellange Anstiege.
Am Morgen bin ich wieder total verspannt aufgewacht, vielleicht liegt es wirklich daran, dass ich eine Woche lang nicht mehr in einem Bett geschlafen habe, werde wohl heute Abend mal den Doktor konsultieren, damit ich irgendwann wieder frei atmen kann.
Die Stadt am See ist eigentlich auch nur ein größeres Dorf, aber ich finde einen Laden mit russischem Konfekt und lege mir einen größeren Vorrat zu, denn morgen geht es ja wieder an einen 3000er Pass und dafür will ich gerüstet sein. An einer Bushaltestelle wartet unser Fahrzeug und unsere Leute haben dort ein wenig Schutz vor dem Regen gefunden. Leider ist die halbe Haltestelle von ein paar kirgisischen Alkoholikern okkupiert und es fällt schwer die Leute, denen beim Stichwort Deutschland nur „Heil Hitler“ einfällt loszuwerden. Als ich wieder aufs Rad steigen will ist dann auch meine Sonnenbrille weg, die ich mir von Helma geborgt hatte, das wäre dann Nummer 4 auf dieser Reise. Die erste habe ich in Turkmenistan verloren, die zweite in Usbekistan geschrottet, die dritte von Eckardt geborgt und an Volker weiter verliehen, der sich darauf gesetzt hat und nun die nächste. Na gut, China ist nicht mehr weit und dort werde ich mir wieder einen größeren Posten an Billigbrillen zulegen.
Hinter Toktokul geht es dann in ein schönes Seitental immer an einem kleinen Fluss entlang gut bergauf. Es regnet immer noch, aber die Landschaft ist wunderschön. Das Wasser im Fluss schießt weiß schäumend den berg hinunter, rechts und links gibt es wunderschöne Wiesen und ich denke, es ist schade, dass wir heute keine Zeltübernachtung haben. Rechts und links geben Nebentäler den Blick auf Schneeberge frei und alles ist bewaldet und erinnert ein wenig an wunderschöne Täler in den Alpen. Die Straße lässt sich trotz der kräftigen Anstiege gut fahren und zur Belohnung hat es auch noch aufgehört zu regnen.
Der Tag wird weniger anstrengend als geplant, denn unser Hotel befindet sich nicht wie angenommen auf 2400 Meter Höhe, sondern schon auf 1900 Metern. Wir sind in zwei Häusern untergebracht. Die „Singles“ sind in einer schönen Anlage direkt am Fluss, es gibt eine warme Dusche, die ist aber auch notwendig nach der nassen Fahrt und auch, weil die Zimmer nicht geheizt werden können und es doch recht frisch ist.
Sauber geduscht wandern wir dann bergauf zum anderen Hotel, um die Doppelzimmer Besatzung zu treffen. Die sind aber gar nicht zufrieden, denn es gibt hier nur eine Dusche für alle mit 40 Litern und gerade jetzt trifft das Gepäck ein, die ersten mussten nass und frierend fast zwei Stunden warten. Das ist natürlich wieder ein Anlass für eine lange nicht enden wollende Diskussion über alle kleineren und mittleren Mängel der Reise in den letzten drei Monaten und ich fühle mich müde und matt und ausgepowert, wie noch nie zvor auf der reise. Draußen vor der Tür scheint die Sonne im Märchenwald und wir schaffen es wieder den Tag total zu zerpflücken und für den Abend bahnt sich das gleiche noch einmal an. Doch ich habe Glück. Unerwartet trifft die vier Personen starke Parallelgruppe ein, Helmuts Fahrrad ist hinüber, das Tretlager ist nicht mehr zu retten und es handelt sich nicht um eines von unseren Kogas, so dass ich auch das Lager nicht wechseln kann. Eigentlich gibt es gar nichts zu überlegen, Helmut bekommt das Reserverad, so lange bis wahrscheinlich in Urumqi ein neues Tretlager eingebaut werden kann. Durch den langen Transport sind am Reserverad ein paar Züge gebrochen und die Schaltung ist verstellt, aber mit Helmuts Hilfe bekomme ich alles recht schnell wieder gerichtet, nichts ahnend, dass die Gruppe schon wieder diskutiert, ob das Rad eigentlich an die Parallelgruppe gegeben werden dürfe oder nicht und das stimmt mich dann doch etwas depressiv und selbst die leckere Suppe kann nicht mehr viel an meiner Stimmung retten.
Am Abend gehe ich noch einmal zu Richard, der glücklicherweise nichts an den Bronchien feststellen kann und Stress als Auslöser für meine Atemprobleme und Verspannung festmacht, eine Woche Urlaub sei wohl eine Lösung oder vielleicht eine Woche ohne uferlose und fruchtlose Diskussionen.