Freitag, 30. Mai 2008, vom Zeltlager am Kyzart-Pass bis zum Orto-Tokoy-Stausee, 83 Kilometer, 488 Höhenmeter
Schon früh am Morgen steht die Sonne über dem Lagerplatz und kitzelt mir durch den Zelteingang die Nase. Ich mache einen kleinen Spaziergang und sehe in der Ferne die Nebel steigen und die Nomaden sind schon wieder zu Pferde unterwegs.
Unser Yoga auf dem Rasen ist ein wenig stachelig, aber keiner von meiner kleinen Fangruppe möchte darauf verzichten, man kommt einfach viel besser in den Tag und hat noch größeren Appetit aufs Frühstück. Wie fast jeden Tag gibt es einen leckeren Grießbrei und zusätzlich noch die Restsuppe vom gestrigen Tag.
Nachdem zusammen gepackt ist, muss ich mich noch um ein paar Fahrräder kümmern und Schaltungen nachstellen. Bei den grässlichen Buckelpisten der letzten Tage haben sich die Räder wieder einmal bewährt. Trotz der ständigen Holperei zeigten sich nirgendwo Verschleißerscheinungen. Wir haben immer noch auf der ganzen Tour nicht eine einzige Speiche wechseln müssen und haben bei 18 Leuten weniger als einen Plattfuß in zwei Tagen und die Mäntel fahren wir schon fast 8000 Kilometer seit Griechenland und weder die Continentals noch die Schwalbe Decken zeigen großen Verschleiß.
400 Höhenmeter sind es noch bis zum Pass, also geht es vom Lagerplatz aus gleich straff bergan los. In dem kleinen Tal gibt es wieder jede Menge Nomaden, die hier ihre Jurten aufgeschlagen haben und ich nutze die Gelegenheit mir wieder ein Flasche Kumys zu kaufen.
In der nächsten Jurte, eine Ecke weiter, werden Helma und ich dann schon wieder zu einer Schüssel vergorener Stutenmilch eingeladen, die ganze Familie sitzt vor dem Zelt und in der Mitte die Oma an der Nähmaschine mit Handkurbel. Wie immer ist das Interesse an unserer Tour ziemlich groß und es wird schwierig hier nach einer Viertelstunde wieder loszukommen.
Oben am Pass wieder ein angeranztes Denkmal und ein paar Hütten, einige Nomaden verkaufen Kumys und geräucherten Fisch. Aus einer rauschenden Abfahrt wird nichts, denn die Straße ist wieder um schauderhaft, ein einziger Flickenteppich. Aber so kann man halt nur langsam fahren und hat wenigsten noch Augen und Gemüt für die Landschaft und die Menschen ringsherum. Ich kann mich gar nicht genug satt sehen an dem vielen Grün um mich herum.
Nach dem späten Mittagspicknick kommen wir dann wieder auf die Hauptstraße. Rechts geht es auf kürzestem Weg nach China. Unser letztes großes Ziel liegt nicht einmal mehr 200 Kilometer südlich. Allerdings liegen dazwischen noch drei große Pässe über 3000 Meter und vor 15 Jahren bin ich hier schon einmal im April entlang gefahren. Da war es eisig kalt und windig. Die Passhöhen waren noch tief verschneit, aber geräumt und ich erkenne sogar eine Wiese wieder auf der ich damals mein Zelt aufgebaut hatte, nur die Bäume um den Platz sind inzwischen viel größer geworden.
Doch wir wollen natürlich noch ein wenig in Kirgisien bleiben und deshalb nehmen wir die Straße nach links in Richtung des Issyk-Kul Sees. Erst einmal geht es jetzt durch lang gezogene Straßenortschaften mit recht viel Leben. Der Transitverkehr mit China bringt eben mehr Fahrzeuge und mehr Business mit sich und man hat sogar Geld, die Straße einigermaßen in Ordnung zu halten. Hinter dem Ort geht es in ein trockenes Tal, nur direkt neben dem Fluss ist es grün und dort finden wir dann auch unseren heutigen Zeltplatz. Dieser muss einstmals sehr schön gewesen sein, aber nach einem gigantischen Unwetter hat die Wiese wohl einige Zeit unter Wasser gestanden, alles ist ein wenig verschlammt und es müffelt. Abern nach ein wenig Suche findet dann doch jeder noch einen Platz fürs Zelt und wir beginnen unser übliches Abendprogramm. Auch das Waschen im Fluss ist ein kleines Abenteuer, denn es ist schwierig wieder einigermaßen sauber aus dem Schlamm am Ufer wieder herauszukommen.
Abends sitzen wir dann nicht zu lange beisammen, denn es wird schnell kühl und einer nach dem anderen verkrümelt sich ins Zelt und in den Schlafsack.