Dienstag, 27. Mai, von Chichkan über den Ala-bel Pass (3184 Meter) bis zum Zeltlager bei Suumsay, 95 Kilometer, 1709 Höhenmeter: „Ruhetag am Pass“
Blendendes Wetter am Morgen und ein gutes Frühstück. Auch die nassen Sachen von gestern konnten wir in der Küche über Nacht trocknen, also haben wir wieder einmal optimale Bedingungen für die Passanfahrt heute.
Meine Verspannung hat sich immer noch nicht gelöst, aber an solch einem Tag habe ich natürlich auch keine Lust aufs Auto zu steigen und die Landschaft um mich herum nur vom Fenster aus vorbei fliegen zu sehen.
Gegen 9 Uhr kommen wir dann vom Hotel aus los. Noch immer ist die Straße in super Qualität, was wir von Kirgistan überhaupt nicht erwartet hatten und das wird wohl bis morgen auch noch so bleiben, aber dann verlassen wir endgültig die Hauptroute Nach Bishkek, der kirgisischen Hauptstadt, und biegen in Richtung Issyk-Kul ab.
Langsam und stetig mit 7 oder 8 Prozent Steigung schlängelt sich die Straße nach oben. Die Schilderaufsteller schienen Humor zu besitzen, denn die Steigung ist mit 7,62% oder 6,79% ausgewiesen, ein starker Kontrast zu den sonst überall ortsüblichen 12% Schildern.
Als dann unser Begleitfahrzeug vorbei kommt und auch noch ganz langsam, habe ich meine Idee für den halben Ruhetag, ich werde mich einfach einmal ein paar Kilometer ziehen lassen. Doch die Idee hatten auch schon andere, aber gerade ein letztes viertes Plätzchen ist hinten noch frei. So geht es dann ganz entspannt und gemütlich erst einmal 200 Höhenmeter im Schlepp nach oben. Dann weitet sich das Tal und links und rechts der Straße gibt es viel Jurtencamps. Also lasse ich los und halte erst einmal an und kaufe mir eine Flasche Kumys, vergorene Stutenmilch.
Dieses Getränk ist bei allen Nomadenvölkern in Zentralasien verbreitet und enthält viele Minerale und Vitamine, die die Leute hier aus Obst und Gemüse nicht bekommen können, da hier auf den Bergalmen außer Gras nichts wächst. Auf alle Fälle mag ich das Getränk, das etwas rauchig und etwas nach Schafsmilch schmeckt und gesäuert und vergoren ist, wodurch es etwa ein Prozent Alkohol enthalten dürfte. Meinen Teilnehmern rate ich nicht unbedingt dazu, wegen der Durchfallgefahr, aber mein Magen-Darm-Trakt scheint inzwischen wohl abgehärtet genug.
Überall links und rechts der Straße gibt es jetzt Jurten. Die Frauen sind damit beschäftigt die Stuten und die Kühe zu melken oder die frisch gemolkene Milch zu Butter zu verarbeiten. Dabei benutzen sie nicht mehr das traditionelle hohe Buttergefäß aus Holz, sondern eine handbetriebene Schleuder. Ich darf meinen Finger ins Fass tunken und kosten und frische Butter ist einfach lecker.
Nachdem ich dann ein paar Kilometer weiter gefahren bin, kann ich der Versuchung nicht widerstehen und hänge mich an den nächsten Lkw und fahre wieder eine Weile mit, bis ich auf einen Teil der Gruppe treffe, der auf einer schönen Almwiese lagert. Schön ist es unter dem stahlblauen Himmel mit den Schäfchenwolken eine Weile im Gras zu liegen und einfach den Duft der vielen Blumen umher einzusaugen, bevor es dann an die nächsten Höhemeter geht.
Irgendwann schraubt sich die Straße dann ein paar Serpentinen hinauf und für den Schlussanstieg nehme ich noch einmal einen Truck in Anspruch, schließlich wollte ich ja einen Ruhetag haben. Aber ich war heute nicht der einzige, der diese „unerlaubte“ Hilfe in Anspruch genommen hat und am Ende zeigt sich, dass nur vier Leute nicht gemogelt haben. Was soll’s, vom leckeren Salat und dem Grießbrei bekommen doch alle, dann ist Fototermin im Schnee und dann geht es wieder hinunter in eine weite grüne Ebene.
Auch hier gibt es wieder viel Jurtencamps und wir können beobachten, wie viel Mühe es macht, diese Zelte aufzubauen, nichts im Vergleich zu dem, was wir jeden Abend tun.
An einem kleinen Bach und auf einer wunderschönen Wiese ist dann auch unser abendlicher Zeltplatz, wieder einmal einer der schönsten, den wir je gehabt haben, eingebettet in eine wilde und doch sanfte Landschaft. Wieder einmal sieht es nach Regen und Gewitter aus, Wetterleuchten von drei Seiten und einige von uns bekommen ein wenig Angst in Erinnerung an unsere Hochwasser-Gewitter-Nacht. Doch nichts passiert, wir haben ein harmonisches Abendessen im Freien und es zeigt sich, dass ein wunderschöner Fahrtag und ein gutes Abendessen doch beträchtlich zu einer guten Stimmung in der Gruppe beitragen können.