Samstag, 3. Mai 2008, vom Wüstencamp bei Tschorkol bis nach Nurata, 110 Kilometer, 648 Höhenmeter, bis 30 Grad
Bei dem straffen Wind, der am Morgen weht, rettet mein Kocher das Frühstück. Robert hatte ihn in Buchara auseinander genommen und gereinigt und so funktioniert er nun wieder. Ich war wegen des Kochers schon etwas sauer, denn ich hatte mich für ein teureres Modell entschieden und nun funktioniert er hier nicht so, wie ich das von meinem Veteran, den ich seit 15 Jahren benutze, gewöhnt bin. Wie auch immer, der Gaskocher unserer Mannschaft ist hier nicht zu gebrauchen und nach 4 Minuten haben wir den ersten Topf mit kochendem Wasser für Kaffee und ich schaffe es nach dem ersten Pott dann endlich auch, die Augen richtig aufzubekommen. Zum Frühstück gibt es noch leckere Salate und Kefirkäse mit Marmelade oben drauf. Etwas Schmelzkäse ist auch da und in den Kaffee gibt es gesüßte Kondensmilch, ein Lebensmittel mit Suchtfaktor.
Ohne Wind geht es dann noch ein paar Kilometer durch die Wüste und dann durch kleine Dörfer und entlang grüner Felder. Überall sind die Leute draußen und jäten Unkraut und von allen Seiten wird gewunken und es erschallen anfeuernde Rufe. Und die Begeisterung der Leute überträgt sich auf uns, wir hatten lange keine so gute Stimmung in der Gruppe und das, obwohl manches nicht so glatt ging und ich denke wir haben endlich die richtige Einstellung zur Reise erreicht, zu sehen, das alle das Beste aus dem machen, was möglich ist und nicht ständig über kleine Unebenheiten im Reiseablauf zu meckern.
Auch in der nächsten Stadt schlägt uns eine Welle der Begeisterung entgegen, wir tanken Lebensmittel für ein leckeres Mittagspicknick, frische Butter und Salat, sowie frische Brote und Wurst. Weil sich so viele Leute um uns versammeln, hat Farhoud, unser usbekischer Führer, Sicherheitsbedenken. Gestern haben wir uns ein wenig über das System hier unterhalten. Der Staat möchte am liebsten alles und jeden überwachen und das passiert zum größten Teil auch, nicht ganz so offen wie in Turkmenistan, sondern etwas verdeckter. Auch gestern Abend war noch ein Polizist aufgetaucht, hat sich von der Mannschaft durchfüttern lassen, den Wodka geleert und dann im Bus übernachtet, aber ich denke hier liegen „Auftrag“ und persönliches Interesse und persönlicher kleiner Vorteil eng beieinander und vielleicht hat er ja auch eine strenge Frau zu Hause.
In einer kleinen Teestube tanken wir dann noch einmal Energie für den kommenden Pass; Kekse, Nüsse und Rosinen, sowie Getränke des Coca-Cola-Konzerns und grüner Tee geben und die notwendige Stärkung für die kommenden Kilometer. Dann geht es wieder hinaus in die Wüste und die Straße beginnt ganz langsam, aber sicher zu steigen und wir gewinnen 300 Höhenmeter.
An einer Quelle mit vielen schattigen Bäumen entschließen wir uns dann doch zur Mittagspause noch vor dem Pass. Die Umgebung ist einfach zu einladend. Nicht nur wir machen hier Picknick, sondern viele Andere auch. Zum Beispiel die Frauenbrigade eines landwirtschaftlichen Betriebes. Weil vorgestern der Tag der Arbeit war, habe man den Rest der Woche frei und es sei hier Sitte, dann irgendetwas im Kollektiv zu unternehmen und ich fühle mich irgendwie heimisch und an die guten Seiten unseres DDR-„Sozimus“ erinnert. Die Männer habe man zu Hause gelassen, die werden wohl dort saufen, aber auch die Ladys haben drei Flaschen Wodka in greifbarer Nähe und wir dürfen mit ihnen anstoßen, was wir wegen des noch vor uns liegenden Passes mit äußerster Zurückhaltung tun.
Mit dem Fahrer unseres Busses schnitzele ich einen leckeren Gurken-Tomaten Salat und es gibt schon weniger Beschwerden über den Knoblauchgehalt des vitaminreichen Gemisches. Dazu schmecken das frische Brot und der Käse. Dann geht es weiter und die Angaben, was uns noch erwartet, schwanken zwischen 8 Kilometern Steigung und 18 Kilometern, doch wir haben Glück, der Pass hat keine 1100 Meter, denn schon bei Höhe 780 sind wir oben und haben eine Aussicht über eine weite Ebene mit Nichts durch die schnurgerade unsere Straße führt. Nach der Abfahrt bläst der Wind ein wenig von der Seite, aber im nächsten Ort biegt die Straße nach rechts ab und der Wind schiebt uns praktisch über die nächste Erhebung, hinter der dann auch schon unser heutiger Zielort Nurata liegt. Einmal geht es im Kreis durch das kleine Städtchen, bis wir unsere Pension bei einer usbekischen Familie erreichen. Hier werden wir freundlich aufgenommen und beziehen in den drei hübschen, mit Teppichen ausgekleideten Räumen Quartier, nachdem wir noch ein „Schmutziges Bier“ getrunken haben. Dann geht es in die Dusche, die eigentlich eine halbe Sauna ist. In einem großen Ofen bollert heißes Wasser und daneben gibt es ein Kleines Bassin mit kaltem Wasser. Nach einem schönen und verschwitzten Tag ist das genau das richtige zum Entspannen und sauber werden. Das Abendbrot, leckere Salat und Pelmeni ist zwar nicht sehr reichlich, aber es gibt noch ein paar Kekse zum Tee und alle waren zufrieden. Hubert und ich entscheiden uns dann für ein Bett im Freien auf der Terrasse, denn wir haben ein paar gute Schnarcher unter uns.