Freitag, 25. April 2008, Ruhetag in Mary, Tagesausflug nach Merv: „Kulturoasen“
Aus dem Ausschlafen wird nichts, irgendein einheimischer Hotelgast telefoniert irgendwo auf dem gang so laut und lange, dass ein weiteres Schlafen unmöglich ist. Auch das Frühstück ist etwas mickrig, aber der Kaffee ist schön stark und macht wach, nach den vielen Bieren vom Vorabend. Gegen 10 Uhr sitzen wir dann im Bus und fahren in Richtung Bayramaly, etwa 30 Kilometer von Mary entfernt. Dort befindet sich der Ruinenkomplex von Merv, insgesamt fünf alte und sehr alte Ruinenstädte sind dort zu sehen. Viel ist nicht übrig geblieben im vergleich zu den Ruinen, die wir in Griechenland sahen oder in Troja, denn seit Urzeiten wird hier mit Lehmziegeln gebaut. Nur dem extrem trockenen Wetter ist es zu verdanken, dass von den Lehmwällen überhaupt noch etwas steht, doch für Archäologen muss es hier ein unermessliche Fundgrube gewesen sein, Münzen und Scherben aus fast drei Jahrtausenden. Von den Scherben gab es so viele, dass die Wissenschaftler sie nach dem Erfassen und Katalogisieren wieder in den Ruinen ausgeschüttet haben. Die ersten Siedler haben sich hier in der Nähe des Murgab Flusses schon 2000 Jahre vor Christus niedergelassen, doch die ersten Wälle sind aus der Zeit vor Alexander. Als der mit seinen Griechen hier durchzog entstand eine griechische Festung, die dann von den Seulikiden zerstört wurde, die Parthier hielten sich dann hier auf, vertrieben von den Sassanieden und letztlich von den Persern beherrscht. In „modernen“ Zeiten zogen um die erste Jahrtausendwende die Seldschuken ein, die dann von den Mongolen fast vollständig exekutiert wurden. Im 15. Jahrhundert kamen dann die Usbeken und daraufhin, nachdem der Fluss seinen Lauf verändert hatte, wurde die Siedlung aufgegeben und der einstmals blühende Knotenpunkt an der Seidenstraße, verlor komplett seine Bedeutung.
Doch dies lässt sich in den Lehmgemäuern nur erahnen. In den ehemals mehrere Meter dicken Wänden brüten unzählige Vögel und vor den Ruinen, an deren dem Wind abgewandten Seiten noch Wölbungen und die ehemalige Struktur in Ansätzen zu erkennen ist, weiden Rinder, die die Besucher wiederkäuend beäugen oder komplett ignorieren.
Am interessantesten sind die kleinen turkmenischen Ausflugsgruppen, Studenten oder Liebespärchen, die sich hier bei einem Tagesausflug verlustieren. Händchen haltend und mit einem Schirm gegen die Sonne ausgerüstet lustwandeln sie über die Lehmruinen.
Renoviert wurde das Mausoleum eines seldschukischen Herrschers. Reste der Wandbemalung und des Stuckes lassen Reichtum erahnen. In dem riesigen Kuppelsaal ist es angenehm kühl und der Legende nach ließ es der Herrscher für seine Frau bauen, die ihm „entflogen“ ist. Er hatte sich in die schönste Frau des Landes verliebt, erklärt uns Ats, unser Führer, doch die Frau erbat sich drei Bedingungen vor der Hochzeit, erstens dürfe der Herrscher der Frau niemals beim Gehen hinterher sehen, zweitens sie niemals beim Frisieren der Haare beobachten und drittens sie niemals umarmen. Der Herrscher stimmte zu, aber nach der Hochzeit siegten dann doch die Hormone, er sah allerdings, dass die Frau beim gehen nicht den Boden berührte, zum Frisieren den Kopf vor sich auf den Tisch stellte und bei der ersten Umarmung stellte er fest, dass der Körper weich und ohne Knochen war. Sie sei ein guter geist, aber weil der Herrscher sein Versprechen gebrochen hat verwandelte sie sich in eine Taube, die nur zurückkommen würde, wenn der Herrscher ihr im Zentrum der Stadt ein wunderschönes Gebäude mit einem Loch im Dach errichten würde. So entstand diese Moschee und die Tauben können in dem Gebäude ein und ausfliegen durch ein kleines quadratisches Fenster in der Kuppel.
Auf dem Weg zurück halten wir noch am nahen Basar, der wird leider schon abgebaut, aber ein paar Verkäufer und Stände mit Gemüse oder chinesische Kleinwaren, gefälschten Parfüms und ein paar Essbuden sind noch offen. Obwohl es nicht erlaubt ist zu fotografieren, wollen die Leute regelrecht abgelichtet werden. Die Verkäuferin vom Kwasstand ist zwanzig Jahre alt. Auf die neugierige Frage, ob sie verheiratet sei, antwortet sie sichtlich frustriert mit „Ja“ und fügt hinzu, dass sie auch schon ein Kind habe.
Inzwischen erreicht die Hitze ihren Höhepunkt, ich denke es sind mehr als vierzig Grad. Zurück im Hotel schiebe ich meine Daten auf den USB Stick und gehe zum Internetcafe. Das hat nur noch eine Stunde bis sechs Uhr geöffnet und ich schaffe es nicht den Blog zu aktualisieren oder Daten zu versenden, das das Netz wieder sehr langsam ist, gerade einmal die wichtigsten Mails kann ich beantworten und werde auch dabei unterbrochen, da die Cheffin einfach den Server abdreht und die letzten 10 Minuten Schreibarbeit damit im Eimer waren. Stinksauer verlasse ich den Laden und werde noch sauerer, da das Telefon selbst hier kein brauchbares Netz finden kann und international Gespräche nur vom Postamt zu führen sind, das aber auch bis Montagmorgen geschlossen ist.
Erst bei dem kühlen Bier im Restaurant, den leckeren Pelmeni und dem Schaschlik und noch einem weiteren Bier bekomme ich meine gute Laune zurück. Auf einen weiteren Versuch irgendeine Form von Nachtleben zu finden, verzichten wir, da wir am nächsten Morgen zeitig los wollen.