Sonntag, 13. April 2008, von Samaxi nach Baku, 130 Kilometer, 1009 Höhenmeter: „Am Beginn der Wüste“
Das Frühstück ist so mager wie an den Tagen zuvor und einige in der Gruppe murren deswegen, aber diese Art von Frühstück, nur Brot und Honig, dazu eine Scheibe Käse und ein halbes Rührei ist hier landesüblich. Einige fordern sogar ihre 200 Kalorien zum Frühstück, aber ich glaube nicht, dass auch nur einer von uns kurz vor dem Hungertod steht, eher im Gegenteil.
Nach einigen kleinen Justierungen an den Rädern geht es dann los. Der aserbaidschanische Guide hatte einen Tag mit kleinen Hügeln angekündigt, doch glücklicherweise hatte ich das Höhenprofil noch einmal studiert und allen gesagt, dass wir in den „Hügeln“ gut und gerne 1000 Höhenmeter sammeln können und die Strecke auch bis zu 130 Kilometer werden könnte, denn gleich am Anfang geht es stetig bergauf. Wieder einmal wirkte das Wetter unentschlossen nach dem nächtlichen Regen, aber auch heute verziehen sich die dichten Wolken und es klart langsam auf.
Die schwedische Radlerin Erica radelt heute einen Tag mit uns bis nach Baku. Für mich ist das ganz angenehm, da ich einmal einen neuen Gesprächspartner habe mit dem ich keine Gruppenprobleme diskutieren muss und so macht es mir nichts aus, ganz langsam zu dritt mit Ulli die Berge hinauf zu tuckeln.
Mit dem letzten Pass hat sich die Vegetation mächtig verändert, es ist merklich trockener geworden, Landwirtschaft und Bäume gibt es kaum noch, lediglich Steppe, die wahrscheinlich nur jetzt im Frühling nach den täglichen Niederschlägen ein wenig grün ist. Auch Ortschaften sehen wir nicht. Wir klettern mühselig einige mächtige „Hügel“ über fast 25 Kilometer hinauf und fahren wieder etwas herunter, bis wir in den nächsten Ort kommen.
Aufgrund des mageren Frühstücks entschließe ich mich sogar dem CocaCola Konzern ein Getränk abzunehmen, was ich sonst eigentlich nicht tue und mit dem postsowjetischen Schokoladenkonfekt ergibt das zumindest energetisch eine vollwertige Mahlzeit.
Auch die litauische Gruppe ist wieder auf der gleichen Strecke unterwegs und immer wenn die einen eine Pause machen, kämpfen sich die anderen vorbei. Mittagspicknick gibt es auf dem hoffentlich letzten „Hügel“, wir sind noch auf 700 Metern Höhe und Baku liegt ja einige Meter unter dem Meeresspiegel und irgendwann muss ja die ersehnte Abfahrt endlich kommen. Nach einem weiteren Zwischenanstieg ist es dann soweit. Vor uns liegt eine weite, noch trockenere Ebene, das ist schon keine Steppe mehr, sondern schon fast Wüste. Aber es geht steil bergab in diese Einöde hinein. Der Verkehr ist schrecklich. Die Aserbaidschaner fahren wie die Henker und überholen viel zu dicht, obwohl die Gegenfahrbahn frei ist, es sind schon fast Berliner Verhältnisse. Als Dieter die Kette herunterspringt und Heike nicht mehr rechtzeitig bremsen kann und stürzt, ist glücklicherweise kein Auto in der Nähe. Außer einem leicht lädiertem Knie hat sich Heike nichts getan und will auch wieder aufs Rad, aber der Doktor und ich verordnen ihr den Bus, zumindest bis Baku. Murrend lässt sie sich aber dann doch samt Rad auf den Bus setzen. Als der Doktor und ich dann wieder aufsteigen und den anderen hinterher jagen wollen, ist das Hinterrad von Richard platt und wir müssen erst einmal flicken und das gelingt uns dann nicht einmal. Trotz langer Prüfung nach der Plattfußursache können wir nichts finden und so zischt beim Wieder aufpumpen die Luft wieder heraus. Entnervt demontieren wir Heikes Hinterrad und bauen es in Richards Rad ein.
Am nächsten Teehaus warten dann die anderen auf uns. Die Litauer sind auch da, einige machen aber keinen guten Eindruck, da sie mit freiem Oberkörper in einem muslimischen Land einrücken und dann auch noch Bier bestellen, wunder mich darüber, dass Siggitas, der Chef der Truppe und erfahrener Weltenbummler seine Leute nicht darauf eingeschworen hat.
Da der Verkehr immer dichter wird, beschließen wir, geschlossen in der Gruppe den Weg in die Stadt zu nehmen. Es ist wirklich chaotisch, aber in der Gruppe sind wir relativ sicher und das Gruppenfahren haben wir ja zur Genüge in der Türkei geübt.
Im Peleton geht es dann aus der Trockensteppe hinein in die Großstadtwüste. Schön ist der Stadtrand nicht, es gibt viele ärmliche kleine Häuser oder halbfertige Wohnsilos, die sich von denen aus den Sowjetzeiten kaum unterscheiden. Unser Bus wählt dann eine etwas ruhigere Strecke durch einen Sattelitenvorort. Der ist zwar wirklich weniger befahren, aber die Straße ist in einem schauderhaften Zustand.Loch an Loch und Baustelle an Baustelle und dazu noch einmal 150 Höhenmeter Kletterei. Doch auch irgendwann ist auch das geschafft und wir haben einen herrlichen Blick über die Stadt und auf das Kaspische Meer.
Durch die breiten Straßen der Innenstadt ist es dann wieder interessanter. Vorbei geht es an alten und neuen Gebäuden und der Uferpromenade bis zu unserem Vier-Sterne Hotel. Hier muss ich dann erst einmal verkünden, dass unser Gepäck Fahrzeug mit einem Schaden auf der Strecke geblieben ist und erst ein Stunde später kommt, aber wir lassen uns in der Lobby des 14. Stocks häuslich nieder und trinken teures „Schmutziges Bier“. Nach 9 Uhr sind aber alle geduscht und wir ziehen zu einem türkischen Restaurant um die Ecke und haben nach dem langen Tag ein überreichliches Abendessen, welches die Gruppenkasse ordentlich schröpft, Baku ist ein teures Pflaster.
Leider ist das Internet quälend langsam, so dass ich nicht einmal meine Mails beantworten kann und ich sehe einem schrecklich langweiligen morgigen Arbeits-Ruhetag entgegen.