Donnerstag, 20. März, vor Delice bis hinter Sungurlu und Ausflug nach Hattusa, 66 Kilometer, 330 Höhenmeter: „Hethitische Impressionen“
Es ist schrecklich, mein Hinterrad ist schon wieder halb platt, doch ich habe keine Lust zur Reparatur und mit einer neuen Füllung Luft komme ich mehr als 20 Kilometer. Der Himmel sieht regnerisch aus, doch wir haben Glück, eine dicke schwarze Wolke zieht neben uns vorbei und auf eine zweite steuern wir direkt zu, doch mittels einer Teepause lassen wir auch diese Gewitterwolke passieren und mogeln uns dann zwischen zwei Wolkenfeldern durch. Unser Hotel erreichen wir schon kurz vor zwölf. Der heftige Rückenwind hat uns gut durch die Ebene geblasen, und auf dem Nachmittagsprogramm steht ein Ausflug nach Hattusa zu den Ruinen einer hethitischen Hauptstadt.
Während des Mittagessens in unserem Raststättenhotel debattieren wir noch darüber, ob wir die 25 Kilometer mit dem Rad oder mit dem Bus machen, tendieren eher zum Rad, als der Himmel nun doch anfängt, sich auszuschütten. ‚Alea iacta est’- die Würfel sind gefallen und so sitzen wir 13 Uhr alle faul im Bus und der dicke Regen prasselt an die Scheiben und alle sind glücklich jetzt nicht im Regen und im Gegenwind draußen radeln zu müssen.
Durch ein Tal, das nicht mehr ganz so karg ist, geht es hinauf. Die grüne Wintergerste bringt etwas Farbe in die Landschaft, doch es ist wesentlich kühler als noch am Vormittag und an einigen geschützten Stellen hat sich noch etwas Schnee versteckt. Bogaskale ist ein kleines Dorf, es gibt ein paar renovierte Häuser und zwei oder drei kleine Hotels, viele Häuser sehen aber recht verfallen aus. Kaum zu glauben, dass sich einen Kilometer weiter, auf einem heute kahlen Hügel eine lebendige Metropole erhob. Hattusa war vor 3300 Jahren die Königsstadt des hethitischen Reiches, eine Stadtmauer von mehr als 6 Kilometer Länge umfasste die Stadt, und das berühmte Aslanli Kapi, das Löwentor und das Kral Kapi, das Königstor können wir noch heute in einem Zustand besichtigen, der einiges von dem Leben, das in dieser Metropole der Vergangenheit geherrscht hat, erahnen lässt. Von den Gebäuden, einstmals aus Lehm und Holz errichtet, sind natürlich nur noch die Fundamente zu sehen, aber mit viel Fantasie lassen sich Straßen, Gebäude, Flure und Kammern erahnen. Ich bin total begeistert von der Anlage und obwohl eigentlich der Erhaltungszustand schlechter ist als die Ausgrabungen in Troja oder Filippi, lässt sich jedoch hier für mich besser nachvollziehen, wie das Leben hier einmal ausgesehen haben könnte, vor meinen Augen ziehen Karawanen von Eseln durch die engen mit Steinen gepflasterten Straßen, die auf einem großen bunten Markt entladen werden. Am Rande des Tempels befinden sich große Warenlager, wo Getreide, Öl und eingelegtes Gemüse in großen Amphoren gelagert wird.
Die Stadtmauer ist gewaltig und ragt bis zu 35 Meter in die Höhe und lässt nur erahnen, welche grausamen Schlachten und Kriege hier schon vor Jahrtausenden geschlagen wurden. Und auch diese gewaltige Burganlage hier wurde fast dem Erdboden gleich gemacht und nur ein einziger Pool im Königspalast lässt erahnen, welcher Reichtum und welche Pracht hier einmal versammelt war, dass hier einmal Luxus und Völlerei und wenige Straßenzüge weiter harte Arbeit und Sklaverei den Alltag bestimmt haben.
Die Zeit hier in den Ruinen ist mit viel zu kurz, aber ein heftig einsetzender Regenschauer treibt mich dann doch zurück zum Bus und wir verschwatzen dann alle zusammen noch ein wenig Zeit in der kleinen Teestube im Dorf, bevor es wieder im Bus zu unserem Raststättenhotel geht und dem üblichen Abendessen mit Buffetvöllerei geht.