Sonntag, 9. März von Gelibolu über die Halbinsel und mit der Fähre über die Daredanellenstraße nach Canakkale, 75 km, 640 Höhenmeter: “Ankunft in Asien“
Die Nacht im Hotel war schrecklich, erst sitze ich noch lange am Computer und quäle mich mit der Verbindung, dann donnert auch noch nach Mitternacht die Disko weiter, als nächstes heult die Alarmanlage so lange bis wohl die Autobatterie leer ist und um 5.24 Uhr verkündet der Muezzin mit Lautsprechergetöse, dass die Sonne wieder aufgegangen ist. Ich stehe um 6 Uhr auf und versuche noch ein paar Daten loszuwerden und ein paar private Mails zu schreiben, aber die Verbindung kommt überhaupt nicht mehr zustande und ich verplempere nur meine Zeit.
In Stimmung bringt mich erst mein morgendliches Gliederstrecken mit ein paar Yogaübungen und die die erste positive Überraschung ist das Frühstück: leckeres Brot, guter Käse, zwar kein Kaffee, dafür superstarker Tee, genau das, was ich brauche und, als fast alle schon weg sind, mit Käse gefüllte brötchenartige Teilchen, von denen ich mir noch eines für den Weg einpacke.
Zum Verpacken des Gepäcks brauchen wir heute etwas länger, da wir ja neue Begleiter, ein neues Fahrzeug und einen neuen Hänger haben, doch 8.20 Uhr kommen wir dann auch los. Unverändert ist das Wetter, stahlblauer Himmel und angenehme zehn bis zwölf Grad. Schnell sind wir aus der kleinen Stadt heraus und an der Küste entlang geht es nach Süden. Links liegt die Straße der Dardanellen, rechts Felder, Olivenhaine, sanfte Hügel mit Pinienwäldern; rechts, wo wir sind ist gerade noch Europe und auf der anderen Seite schon Asien und da kommen wir heute Abend noch hin. Auf der Grenzlinie in der Mitte transportieren Frachter und Containerschiffe Waren hin und her und lassen die strategische Bedeutung, die diese nur etwas mehr als einen Kilometer breite Meerenge schon seit der Mensch zur See fährt hatte und bis heute immer noch hat.
Aller zwei Kilometer gibt es einen Friedhof für gefallenen Soldaten des Ersten Weltkrieges, türkische Soldaten, australische Soldaten, neuseeländische Soldaten und Soldaten aller Herren Länder. Nicht überall können wir anhalten, aber laut Cesmi, unserem griechischen Führer, gibt es hier Tage mit mehreren tausend ausländischen Besuchern, die hier von Friedhof zur nächsten Grabstelle pilgern. In einem Informationszentrum bekommen wir einen Überblick über die Vorkommnisse des Krieges hier, zu komplex um alles wiedergeben zu können; als Resultat bleibt, hier sind viele Soldaten aus Ländern gestorben, die eigentlich nichts mit der Region hier zu tun haben und das sollte uns auch heute noch zu denken geben.
Am Rande einer solchen Gedenkstelle, direkt am Meer haben wir ein schönes Picknick und Gelegenheit meinen neuen Kocher auszuprobieren: Heißes Wasser für heißen Tee.
Danach geht es noch eine Runde über die Halbinsel, von einem Schützengraben zum nächsten Soldatenfriedhof zur nächsten Gedenkstätte; auch der Süperheld der Türkei, Kemal Attatürk hat hier als junger Oberleutnant gekämpft und große Taten vollbracht. Mir ist es persönlich ein wenig zu viel Nationalismus, ein wenig zu viele Türkeifahnen und ein wenig zu viel Personenkult; aber der zum Teil heftige Anstieg mit 14% Steigung lohnt sich auch wegen der grandiosen Aussicht.
Am späten Nachmittag geht es dann wieder abwärts und wir schaffen unsere Fähre ohne Wartezeit. Bei einem Tee überqueren wir die magische, unsichtbare Linie, die Europa von Asien trennt, aber im Gespräch vertieft und von der Landschaft in und um die Wasserstraße beeindruckt ist sich kaum einer des Moments bewusst und als wir in Canakkale anlegen sind wir in Asien.
Unser Hotel liegt direkt am Hafen mit einer grandiosen Sicht, doch viel Zeit zum genießen bleibt nicht, denn wir treffen uns schon nach einer halben Stunde wieder und ziehen ins Hamam, ins türkische Badehaus. Für mich ist es das erste Mal und es ist glühend heiß und ich werde vom Bademeister eingeseift und von oben bis unten abgerubbelt und durchgeknetet. Danach fühle ich mich angenehm müde und genieße in ein Badetuch eingewickelt starken, türkischen Tee.
Auch das Abendessen ist grandios, wir gehen eher in ein Schnellrestaurant, aber die Auswahl ist einfach umwerfend. Ich wähle Okraschoten und Auberginen, Kuskus und einen lokalen Käsekuchen und bin so satt, dass ich kaum noch Tagebuch schreiben mag…..