1.März, von Verginia über Pella nach Thessaloniki, 55 km, 140 Höhenmeter:“Geschichte kompakt“
Heute können wir länger schlafen, da die Ausgrabungen erst um 8.30 Uhr öffnen und so verwirklichen wir heute vor dem Frühstück noch eine Viertelstunde mit Yogaübungen. Ausgehend von Roberts Rückenschmerzen hatte ich angeregt, jeden Morgen vor dem Frühstück ein paar Sonnegrüße zu machen und heute kommen dann auch wirklich noch vier Leute mit auf die Terrasse, auch mir tut es gut meine Körper wieder einmal richtig zu strecken und die Sehnen ein wenig zu dehnen und danach schmeckt das Frühstück, auch wenn es eigentlich nicht besonders gut ist, doppelt so gut.
Besonders gut und interessant ist dann die Ausgrabung im Grabhügel von Verginia, in der Nähe lag hier früher de Mazedonische Hauptstadt und in den 70er Jahren öffneten hier die Wissenschaftler eine Grabkammer, die noch nicht geplündert war und von der sie vermuteten, dass sie das Grab Philips II, des Vaters von Alexander dem Großen, beinhaltet. Beeindruckend die aus Blattgold getriebenen Kränze, aufs feinste dekorierte Sargtische und und Prunkrüstungen sind beeindruckend, ebenso wie die erhaltenen Fresken, die einen blassen Eindruck von der hoch entwickelten griechischen Malkunst geben.
Beeindruckt steigen wir aufs Rad und fahren in den Morgennebel hinein, ich bin etwas zu dünn angezogen und fahre etwas fröstelnd vor mich hin, als es in einem kleinen Städtchen plötzlich vor mir rappelt, Eckhardt steigt über den Lenker ab, Hubert, der unmittelbar vor mir fährt ebenfalls und ich komme nur zwei Zentimeter vor Huberts Rad zum Stehen. Schuld war ein Gullideckel, der übersehen worden war und bei einem Ausweichmanöver begann dann unser kleiner Massensturz. Zum Glück ist nichts passiert, Eckardt hat eine kleine Schürfwunde am Oberschenkel und Huberts Kamera, die mitten auf der Straße liegt, ist noch komplett intakt, und ich bin nur mit einem Adrenalinstoß davon gekommen.
Weiter geht es durch komplett flaches Land der Ebene von Mazedonien. Früher war hier einmal ein große Sumpf und sogar ein See, den die Mazedonier haben hier auch mit Booten gegen die Griechen aus dem Süden gekämpft. Seit noch nicht einmal hundert Jahren erst sind See und Sümpfe trocken gelegt und es wird großflächig Landwirtschaft betrieben. An einem Parkplatz in einem kleinen Dorf halten wir für ein kurzes Jubiläum, der tausendste Kilometer liegt nun hinter uns. Weiter geht es über kleine, aber gut befahrbare Feldwege bis nach Pella, wo eine ehemalige große Stadt Mazedoniens lag, die unter Alexander dem Großen hier als eine der ersten Städte der Welt vom Reißbrett aus angelegt wurde. Gleich große rechteckige Parzellen, mit Wasser und Abwassersystem versehen, wurde hier an die Reichen der Reichen vergeben, die sich in prachtvollen Häusern einrichteten. Geblieben sind Säulen und Grundrisse von Häusern, wundervolle Bodenmosaiks und ein gut bestücktes Museum. Heute ist es wieder Kostas, der uns mit viel Humor durch beides führt und wir stehen alle staunend vor den einer Kultur, die uns und unser Denken maßgeblich geprägt hat, was kaum einem von uns vorher so klar zu Bewusstsein gekommen ist. Doch drückt sich dies nicht nur in den beieindruckenden Baudenkmalen, Fresken, Bildern, Friesen und Säulen aus, sondern auch in der Sprache, jeden Tag bin ich erstaunt wie viele Wörter schon mehr als 2000 Jahre alt sind und ihren Ursprung am Ufer des Mittelmeeres haben. Natürlich auch nicht zuletzt unser Denken geht bis hierher zurück, hat doch hier schon Aristotoeles gewirkt, der sich von den Gedanken Platons trennte und damit waren die zwei großen Grundrichtungen der Philosophie geschaffen, bstimmt nun das Sein das Bewußtsein oder das Bewußtsein das Sein? Denkt mal drüber nach!
Alles Bewusstsein hilft nichts, wegen des heftigen Verkehrs fahren wir alle mit dem Bus nach Thessaloniki, was natürlich etwas Zeit braucht, da Kostas zweimal fahren muss. Den Abend verbringen wir in einem Schnapslokal und alle probieren einen „Trester“ Schnaps, der einem italienischen Grappa fast gleichen soll, sagen unsere Alkohol-Profis. Ich nippe nur einmal kurz und finde, es ähnelt rumänischem Slivowitz. Dazu gibt es reichlich Seafood, Muscheln und Tintenfische in allen Versionen. Da es eine Kultkneipe ist, sitzen wir alle dicht gedrängt und man kann sich kaum noch bewegen, schon gar nicht nach dem mehr als reichlichen Essen. Also beschließen wir noch einen nächtlichen Spaziergang durch die wochenendlich belebte Innenstadt mit hunderten Kneipen und Bars und angeleuchteten Sehenswürdigkeiten. Von der Seeseite an der Uferpromenade weht ein angenehmes Lüftchen und wir wandeln schwatzend zum Weißen Turm und vorbei am Kneipenleben zurück zum Hotel. Da sich die Klimaanlage nicht regulieren lässt kühle ich mein Zimmer nach sowjetischer Methode Heizung und Fenster bis zum Anschlag offen.