Sonntag, 24.2. von Delphi über den Parnassos nach Amfiklia, 62 km, 1234 Höhenmeter:“Keine Panik in den Bergen“
Das Wetter bleibt weiterhin auf unserer Seite, die Sonne strahlt wolkenfrei und wir konnten fast Ausschlafen, denn am Morgen steht die Besichtigung des Orakels von Delphi auf dem Programm und das öffnet erst um halb 10. Nach unserem gestrigen „Symposium“ ist die Moral in der Gruppe sichtlich wieder ganz oben. Gemütlich radeln wir zum Orakel, nachdem wir noch einen Plattfuß an meinem Hinterrad repariert haben, nun schon der zweite auf der Tour und jedes Mal durch einen winzigen dünnen Draht verursacht.
Das Orakel liegt an einem Felsen vor der Stadt und ist eine riesige Anlage mit vielen Ruinen, Tempeln und einem alten Stadion und einem Theater. Diesmal gibt uns Kostas, der sonst das Auto fährt, alles Wichtige und Interessant zum Ort. Über ein Jahrtausend war hier prophetischer Hochbetrieb und es wurde schwunghafter Handel und Politik mit den Weissagungen betrieben. Bis zu drei Priesterinnen wurden bei den monatlichen Orakelsitzungen Weihrauch und anderen Dämpfen ausgesetzt, die dann reichlich bekifft Unverständliches von sich gaben. Anfangs verwendete man Jungfrauen, aber nach einer Vergewaltigung eines unzufriedenen Orakelempfängers wurden diese durch ältere Damen ersetzt, ob diese auch Jungfrauen sein mussten, darauf wusste Kostas keine Antwort.
Die bekifften Äußerungen wurden dann von den Priestern in einem mehrdeutigen Orakelspruch übersetzt und den Bittstellern überreicht. Diese hatten die Nachricht zu deuten oder wendeten sich an professionelle Deuter. Ein weiteres gutes System der Arbeitsbeschaffung war auch, dass die Antragsteller ein Tier zu opfern hatten, aus dessen Gedärmen abgelesen wurde, ob das Orakel überhaupt spruchwillig sei; war es dies nicht mussten die Gesandtschaften eine Monat warten und vielleicht einen weiteren und im Winter wurde nicht orakelt. Dabei verdienten die umliegenden Hotels und Tavernen reichlich und so manche Gesandtschaft, die von sehr weit her angerückt war, um das Resultat eines Krieges mit dem benachbarten Stadtstaat zu erfahren, löste das Problem in Wochen und Monaten der Wartezeit mit der gegnerischen Delegation, die natürlich ebenfalls in der Hoffnung auf einen positiven Orakelspruch angereist war, bei vielen Amphoren griechischen Weines.
In der Spätantike war das Orakel dann zwar politisch nicht mehr so wichtig, aber die Griechen kamen in Scharen hierher und ließen sich den fast tausend Jahre alten Ort mit ihren damals schon „antiken“ Baudenkmalen zeigen und ihr persönliches Schicksal orakeln, geführt von professionellen Reiseführern, also meinen antiken Kollegen.
Gegen 11 Uhr sitzen wir dann auf den Rädern und radeln straff bergan, der Verkehr ist heftig, denn es geht in Richtung des Wintersportzentrums im Parnassos. Große Autos mit gestylten Menschen rasen die Passstraße hinauf. In Arachova herrscht absolutes Verkehrschaos wegen der vielen Mercedes und BMW, doch wir können uns gut durchschlängeln und dann die Serpentinen hinauf klettern. Fast alle fahren mit und kommen gut vorwärts nach unserer gestrigen Motivationsveranstaltung in Delphi. Die Gegend ist traumhaft, um uns herum tief verschneite Gipfel und die Sonne wärmt mit 18 Grad.
Picknick machen wir auf einer schönen Waldlichtung und erfahren bei unserem Brot und Käse, dass der Gott Pan in den Wäldern und Bergen hinter uns wohnt. Fühlt er sich gestört spielt er seine Pan-Flöte und verwirrt die Leute und treibt sie dadurch in Panik. Uns scheint er wohl gesonnen, denn nach dem Picknick sind wir auch den Verkehr los, denn wir biegen nach links ab und fahren in rasender Fahrt den Parnassos wieder hinab und fliegen auf Amfiklia zu. Zum Schluss hat Yorgos natürlich wieder eine kleine Überraschung für uns, das Hotel „Panorama“ liegt natürlich in der höchsten Häuserzeile am Hang und die Straße führt mit 14% Steigung noch einmal 150 Höhenmeter hinauf. Doch alle sind guter Laune die doch recht großen Anstiege des Tages gut geschafft zu haben und auch ich bin froh, dass sich unsere Gruppe langsam an das Fahren gewöhnt.